Scherbenhaufen

Und plötzlich liegt es
in Einzelteilen vor mir
Mein Leben
Bruchstücke sind noch
übrig geblieben
Zersplittert und zerfasert
Keine erkennbare Kontur
Zerbrochen

Und plötzlich fühlt es
sich so eng an
Kann mich nicht bewegen
Kein vor
Kein zurück
Angst schnürt den Hals zu
Atemnot

Von außen sieht es
so anders aus
Nach neuen Wegen
und Möglichkeiten
Nach Entwicklung
und Kreativität

Woher kommt diese Angst?
Wer redet mir schlecht zu?
Welche Stimme höre ich da?
Allein gelassen
Überfordert
Irgendwie so schuldig
Wem bin ich etwas schuldig?
Schuldig
so zu sein
wie ich bin?
Wer sagst:
Du darfst das nicht
Du kannst das nicht?

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Unsere Körper wissen die Antwort

Eine Übung aus dem Erleben im Social Presencing Theater, eine Methode aus der Theorie U, die das Spüren des gegenwärtigen Momentes gemeinsam mit der Gruppe probiert.

Der „Stuck“ – hier geht es nicht weiter, es ist wie ein Stopp, ein Verharren, ein Festgefahrensein in meinem Leben – da stockt etwas. Ich wähle einen Bereich meines Lebens, in dem ich gerade so ein Stocken erlebe. Das Thema muss nicht öffentlich gemacht werden. Den ersten Schritt der Übung erprobe ich allein. Wir sind – wie bei allen Übungen – eingeladen, den Körper in das Bewusstsein zu nehmen und die Wahrnehmung auf den Körper zu richten. Von dort entsteht eine Position, wie sich der Stuck im Körper gerade zeigt. Ich gehe in einen Focusing-Prozess: Wie fühlt sich das von mir ausgewählte Thema gerade an? Wir sind in der Übung eingeladen, den Stuck in eine Körperskulptur zu bringen. Ich beginne von der Körperstelle aus, mich ein wenig zu bewegen, um zu proben, wie genau sich das Festgefahrene ausdrücken lässt. Ich überlasse das „Genauern“ dem Körper, das heißt ich probiere so lange Positionen, Gesten, Körperhaltungen, bis sich das „in mir“ richtig ausgedrückt/symbolisiert fühlt. Dabei zeigt der Körper die Position, ich finde sie und spüre nach: Ah, so ist es, in diesem Festgeklebten zu sein.

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Von oben unter die Erde schauen

Das Pilzgewebe – die sichtbaren Pilze über der Erde, das weit vernetzte Gewebe unter der Erde. Manches sieht man nur, wenn man sich rauszoomt und von weit oben schaut: Ah, hier sind auch noch verstreute Pilze, die zum gleichen Geflecht gehören. Wenn Du unter der Erde bist, gehst Du vielleicht manchmal in dem ganzen Wirrwarr des Geflechts unter, verlierst den Faden, weißt vielleicht noch nicht mal mehr, wo Du auftauchen kannst. Gehören die da hinten etwa auch noch dazu? Wo endet das eigentlich? Wohin soll ich mich als nächstes bewegen? Muss ich wie dieser Pilz werden oder wie jener?

Ein Blick von oben zeigt: All diese sichtbaren Pilze sind nur punktuelle Ausdrucksformen von dem großen Geflecht darunter. Manche haben vielleicht die Aufgabe, sich im Geflecht unter der Erde zu bewegen. Vielleicht lange Zeit, bis sie eines Tages als Pilz an die Oberfläche kommen. Manche haben vielleicht die Aufgabe, mit den anderen Pflanzen Kontakt aufzunehmen, sie z.B. zu warnen vor etwas, was weit entfernt einem Pilz aus einer ganz anderen Region bereits gemeldet wurde.

Es wird darüber gestritten, ob Pilze Pflanzen oder Lebewesen sind. Das gefällt mir, diese Uneindeutigkeit, das schwer zu Erforschende, das noch offene, die Wirklichkeit, die sich nicht in eindeutige Begriffe und Kategorien fassen lässt. Vielleicht ist der Pilz beides. Und der Pilz ist auch nicht der Pilz: Das, was man nach außen sieht, ist eigentlich gar nicht das, was die Pflanz (oder das Geschöpf!) ausmacht. Nun ich bin keine Biologin, keine Pilzforscherin, so dass das Bild irgendwann auch an eine Grenze kommt.

Die Wirklichkeit ist mehr als das, was nach Außen sichtbar erscheint. Die reine Beschreibung erfasst nicht alle Aspekte, die diese Wirklichkeit ausmachen. Es gibt Verborgenes, unerforschtes Gebiet, es entzieht sich der Erfassbarkeit mit dem rationalen Begrifflichkeiten.

Und doch braucht es auch diese empirische Grundlage der Beschreibung, um einen Maßstab zu haben, und nicht dem Irrtum zu verfallen, dass jeder und jede nach ihrer Erfahrung die Wirklichkeit für alle deuten kann. Wissenschaft macht auch demütig, der Ausschnitt ist klein, die Werkzeuge begrenzt und die Erkenntnis oft überraschend plausibel und mit dem puren Menschenverstand nachvollziehbar. Hier braucht es so etwas wie die erhellende Kritik, wenn es blinde Flecken gibt oder es bereits neuere Erkenntnisse aus anderen Bereichen gibt. Aber machen wir uns nichts vor: Keine Wissenschaft kann die Wirklichkeit voll erfassen. Sie bleibt standort-, subjekt- und kontextgebunden. Daher braucht es unbedingt eine Forschungsgemeinschaft. Ich wünsche mir eine, die den Willen hat, sich zum Wohl der Menschen, der Mitwelt und der gesamten Erde einzusetzen. Vielleicht sogar in umgekehrter Reihenfolge. Am besten alles gleichzeitig, ohne Rangfolge!

Ich will aufhören, nur für mich zu träumen und zu sehnen. Ich möchte mich einsetzen und das Pilzgeflecht von oben unter der Erde beschreiben. Es sichtbar machen. Meine Verflechtungen, die Netzwerke, die Zugehörigkeiten und Verzweigungen. Und sehen, welch einzigartiger Pilz ich in diesem ganzen Gewebe ich bin.

Etwas ist zerbrochen

Am Anfang wagten wir noch zu hoffen,
dass es anders kommt,
aber nun ist es geschehn.

Wir können es noch nicht verstehn,
vieles bleibt im Dunkeln,
wenn wir noch einmal an den Anfang gehn.

Lange Zeit war alles Harmonie,
die Stimmung gut, die Zeit auch schön,
sonntags haben wir uns gesehen
und gedacht, da stimmte die Chemie.

Für die einen schleichend,
für die anderen plötzlich
wurde Misstrauen aufgebaut,
Zweifel machte sich breit,
Vorwurf wurde laut –
aus Heiterkeit,
und Trausamkeit –
wurde stattdessen  Streit.

Wir können es noch nicht verstehn,
vieles bleibt im Dunkeln,
ungesagt und ungesehen
auf dem Scherbenhaufen der Gefühle
tief verborgen in unsrer Seele.

Doch da ist dieser Schmerz.
Wir tun alles dafür
ihn nicht zu fühlen,
verleugnen unser Herz;
verschließen unsere Augen,
finden Ausreden und wühlen
in anderer Geschichten,
suchen Schuldige, die taugen,
um sie zu richten
und zu schicken,
als Bock in die Wüste.

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Innehalten

Das Tal ist durchschritten.
Es geht wieder aufwärts.

Ein Tal
von vielen Tälern.
Im Tal fließt doch das Wasser,
im Tal blühen die Blumen,
im Tal wohnen die Menschen.
Warum sollte ich auf den Berg steigen?

Der nächste Berg.
Er steht schon vor mir.
Warum ist aufwärts gehen so positiv besetzt?
Aufwärts gehen ist anstrengend!
Die Last liegt auf meinen Schultern.
Wie leicht kann das Gepäck sein?
Was lasse ich im Tal?
Welche Wegzehrung benötige ich?

Mich nehme ich mit.
Das ist Last genug.
Und Lust genug,
Kraft genug,
Ausdauer genug.

Mir vertrauen.
Vertrauen in den Aufstieg.
Oben wartet die Aussicht.
Gipfelerlebnisse
sind nicht alltäglich.
Nicht jeder Aufstieg
wird mit einem Ausblick belohnt.

Manches ist nicht der Mühe wert.
Woher weiß ich das vorher?
Welche Mühe lohnt sich?
Reicht nicht das Gehen?

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mutwillig

Dieser Beitrag ist im Rahmen einer politischen Schreibwerkstatt entstanden. Ich veröffentliche ihn heute zum Weltfrauentag.

Beziehung auf Augenhöhe – die Überwindung von Infantilismus

Als Kinder brauchen wir Bindung, bedingungslose Liebe, Nähe, Schutzraum, Verlässlichkeit, Fürsorge – und noch viel mehr, was uns einfach von unseren Eltern/ Bezugspersonen geschenkt wird. Im besten Fall. Im glücklichsten Fall. Im rudimentären, zerbrechlichen, angeknaxten Fall geschieht genau dies nicht. Es bleibt eine ungestillte Sehnsucht zurück. All die abgeschnittenen Umarmungen, die unvollendeten Tröstungsgesten, der Geschmack von Zurückgelassenwerden, das tiefe Loch der Leistungsliebe, die Unbarmherzigkeit des Übersehenwerdens – all das schlägt tiefe seelische Wunden, die in den Keller des Unterbewusstseins verbannt werden aus Schutz und für das Überleben.

Als Erwachsene treffen wir auf den Traummenschen – ah, da bist du endlich! Du wirst all meine leeren Flaschen im Keller füllen mit deinem Trost, deiner Fürsorge, deiner Zärtlichkeit und dafür bist du ja auch da oder?

Was als Beziehung auf Augenhöhe begann, artet aus in eine toxische Bedürfnis-Egoismus-Abhängigkeit, aus der nur noch Flucht heraushilft. Oder Rufmord. Oder Unterwürfigkeit. Oder Zerbruch. Jedenfalls versteckte oder offene Gewalt. Weil das so vertraut ist aus Kindertagen, wiederholen sich alle Mechanismen aus dem Beziehungs-Sandkasten.

Wie wäre es, sich mit all der Bedürfnis-Egoismus-Abhängigkeit auf Augenhöhe zu begegnen? Anerkennen, dass ich und du bedürftig sind. Wahrnehmen, dass der Egoismus diesen ungestillten Bedürfnissen entspringt. Begreifen, dass ich nicht alles für dich sein kann und du nicht alles für mich bist. Zulassen, dass wir einander loslassen und wir abhängig sind, weil pure Autonomie uns entfremdet.

Aus der Reihe „Mut„.

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